Seit drei Wochen bin ich nun in der Drogenreha „Support’N’Care“ als Volontär tätig.
Vorher bin ich kreuz und quer durch Nepal gereist, um mir einen Überblick zu verschaffen. Jeden Tag hatte ich volles Programm.
Jetzt habe ich Zeit zum Nachdenken. Zweifel kommen auf.
Die große Freiheit
Seit rund vier Jahren fiebere ich der großen Freiheit entgegen. Endlos Zeit haben und ungebunden um die Welt reisen. Dieses Jahr war es dann soweit. Ich habe das Abi in der Tasche. Gleich im Anschluss bin ich zu meiner Tour Per Anhalter zum Nordkap aufgebrochen, mit dem Gedanken im Hinterkopf, darüber im Anschluss einen Film zu produzieren. Das Projekt hat mich seitdem auf Trab gehalten. Am 21. Oktober - genau eine Woche nach der Filmpremiere - ging es dann nach Nepal, wo ich für die ersten drei Wochen alles im Voraus organisiert hatte. Für die Zeit danach hatte ich dann geplant, einfach in den Tag hinein zu leben und mich überraschen zu lassen, was sich unterwegs so ergibt.
Was ist der Sinn des Lebens?
Jetzt, wo ich nun wirklich frei und unabhängig bin, kann ich die großen Fragen des Lebens allerdings nicht länger verdrängen. Was ist der Sinn des Lebens? Wie kann ich das Beste aus der mir gegebenen Zeit rausholen? Ich erwische mich immer wieder dabei, in Gedanken zu der nächstes Jahr anstehenden Kinotour abzuschweifen. Dabei geht ein breites Grinsen über mein Gesicht. Ach, wird das schön! Ich denke an nächstes Jahr genau wie ich während des Stresses in der heißen Phase meiner Filmproduktion an Nepal gedacht habe und wie ich während der Schulzeit an die Reisen danach gedacht habe. Enttäuschung kommt auf. Ist das schon alles? Habe ich wirklich so lange gewartet, nur um festzustellen, dass ich mich genau fühle wie vorher? Nicht, dass ich wirklich unglücklich wäre, aber ich habe mir das Reisen wie einen großen Rausch vorgestellt, eine Glückshormonparade.
Einfach den Moment genießen...
Stattdessen hechte ich in jeder freien Minute an den Laptop. Nochmal schnell die Mails checken. Noch ein paar Basteleien am Blog vornehmen. Das macht mir super viel Spaß. Aber ich bin hier in einem der spannendsten und vielseitigsten Länder der Welt und kann es nicht richtig genießen, weil meine Gedanken immer nur um den Blog, den Film und die Kinotour kreisen. Ist das ab jetzt mein Leben? Den ganzen Tag am Laptop hängen und wenn ich nicht am Laptop bin daran denken, was ich alles noch machen kann, wenn ich wieder am Laptop sitze, immer mit dem festen Vorsatz, das nächstes Jahr alles spannender und besser wird? Wie sollte es? In der Vorstellung von der Kinotour, die mich immer wieder in freudige Erwartung versetzt, sehe ich mich selbst vor meinem Auto sitzen, mein Essen über einem Lagerfeuer zubereitend oder Gitarre spielend. Aber warum sollte ich mir nächstes Jahr plötzlich die Zeit nehmen, am Lagerfeuer zu sitzen und Gitarre zu spielen, wenn ich jetzt in jeder freien Minute meine Mails checke?
Den Moment genießen. Das ist, was ich lernen möchte - was ich lernen muss!
Das Land Buddhas
Zum Glück bin ich in Nepal, dem Land wo Buddha geboren wurde. Wenn ich an Buddhisten denke, sehe ich genau das: Menschen, die voll und ganz im Hier und Jetzt leben.
Der Entschluss ist gefasst: Ich möchte in ein buddhistisches Kloster, mir etwas von den Mönchen abgucken. Vor meinem geistigen Auge sehe ich mich Muster in den Kies harken oder Bilder aus Sand legen. Vergängliche Kunst, nur für den Moment geschaffen. Ich spreche mit Mr. Gas, mit dem ich hier die meiste Zeit verbringe, über meinen Plan. Er empfiehlt mir, Vipassana, die zentralste buddhistische Meditationstechnik zu lernen. Vipassana wird als 10-tägiger Kurs an mehreren Orten in Nepal angeboten. Einer davon ist hier in Chitwan. Was für ein Glück!
Mr. Gas erklärt mir, wie sehr ihn die Meditation verändert habe, aber auch, wie hart sie ist. 10 Tage ohne Sprechen. Die letzte (vegetarische) Mahlzeit um 12 Uhr Mittags. Keine sexuellen Handlungen, nicht töten, schlafen auf unbequemen Holzbrettern, um vier Uhr morgens aufstehen, fast 11 Stunden täglich meditieren.
Davon lasse ich mich nicht abschrecken. Raj, der Leiter der Reha, stellt mir den Kontakt her. Ich kann die Meditation kaum erwarten!
Gerne würde ich darüber schreiben, was ich bei der Meditation erlebt habe. Das klingt sicher nach keiner schweren Aufgabe. Schließlich sitzt man den ganzen Tag nur rum. Da passiert doch nicht viel.
Wenn es um einen still wird, wird es in einem laut
Wenn man jedoch den ganzen Tag alleine mit sich, in seinem Kopf ist, kommen so viele Gedanken auf. Und ein Gedanke ergibt ohne den vorherigen wenig Sinn. Ich habe angefangen nur über den ersten Tag zu schreiben und jetzt bereits zwei Seiten voll geschrieben. Daher überspringe ich diesen Teil hier. Generell gibt es noch so viel aus Nepal, worüber ich gerne schreiben würde, dass ich darüber nachdenke, wieder ein Buch zu veröffentlichen. Diesmal auch als Print. Schreib mir gerne in die Kommentare, ob ihr Interesse daran hättet.
Am 7. Tag war für mich die Meditation vorbei. Ich sehe keine Chance mehr, mich weiter auf die Aufgabe zu konzentrieren und erachte es daher als eine Form des Selbstrespektes zu gehen, statt mich zu zwingen, 30 weitere Stunden still zu sitzen und meinen Gedanken nachzuhängen.
Ein neues Abenteuer
Mein gesamtes Bargeld bis auf 2000 Rupien, etwa 20€, gebe ich als Spende an die Einrichtung. Vipassana ist kostenlos. Nur durch die Spenden kann die Einrichtung bestehen.
Was ich also dabei habe: Die Kleidung, die ich am Körper trage (Zip-Off Hose, Langarmshirt, Jacke und klischeehaft deutsch: Flipflops mit Socken), ein Handtuch, Schlafsack, Seife, Zahnbürste, Zahncreme und 2000 Rupien.
Ich habe keine Ahnung, wo ich bin, kein Handy um jemanden anzurufen. Mit einem klapprigen alten Bus wurden wir hier abgesetzt und mit diesem sollten wir nach 10 Tagen auch zurückgebracht werden. Egal. Die ersten Schritte im Freien sind berauschend! Die Sonne kommt mir so intensiv vor, nach den vielen Stunden in der dämmerigen Meditationshalle.
Ich muss irgendwo weit ab der Städte auf dem Land sein. Die Bebauung ist sehr einfach. Ich sehe nichts als Felder und Lehmhütten.
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