Yeah, endlich wieder on the road. Gestern war mein letzter Schultag. Jetzt habe ich zwei Wochen Zeit bis zu den Abi-Prüfungen. Das Ziel? Ist noch unklar. Ich möchte nichts planen, sondern einfach schauen, wohin es mich verschlägt. Der Weg ist das Ziel, das Ankommen Nebensache.
Kaum an der Raststätte angekommen, winkt mich ein lachender LKW-Fahrer zu sich herüber. „Du Autostopper?“, fragt er mich. Ich nicke, von seiner guten Laune angesteckt. Es ist Samstag. Ab heute Abend dürfen die LKWs nicht mehr fahren. Ljubinko, der freundliche LKW-Fahrer aus Tschechien, hat sich hier für das Wochenende eingerichtet. Im hinteren Teil seines, mit Stahlkonstruktionen beladenen LKWs hat er sich ein kleines Lager eingerichtet. Auf einem Kocher steht ein dampfender Topf Suppe. Er winkt mich herein und drückt mir einen blauen Plastikbecher mit Rotwein in die Hand. Ich möchte heute zwar noch aus Deutschland raus kommen, aber gegen einen Wein im gemütlichen LKW habe ich nichts. Draußen regnet es in Strömen.
Ljubinko hat zwei Söhne und ein kleines Haus auf dem Land. Er erzählt begeistert von seinen Söhnen. Der eine ist Boxer, der andere hat eine Vorliebe für Motorräder. Beide sind arbeitslos, weshalb die Familie auf das Geld, dass Ljubinko als LKW-Fahrer verdient, angewiesen ist.
Auch Tiere haben sie. Einen Hund, eine Kuh und zwei Schweine. Er drückt mir ein Stück Schinken in die Hand, der herzhaft rauchig duftet. „Probieren du“, fordert er mich auf. Das Fleisch schmeckt köstlich. „Meine Schweine“, erklärt Ljubinko stolz. Englisch spricht er nicht. Deutsch nur einzelne Wörter. Eine Sprachbarriere gibt es trotzdem nicht. Wo die Worte versagen, helfen Gesten aus. Ein freundliches Lächeln, erzählt den Rest. Bei Wein, Schinken und Rock’n’Roll aus dem uralten Laptop in der Ecke des LKWs, vergesse ich fast die Zeit. Fast eine Stunde ist seit meiner Ankunft an der Raststätte vergangen.
Es wird Zeit, dass ich weiter komme. Irgendwo Richtung Westen. Gegenüber der Tankstelle, stelle ich mich an die Auffahrt. Jetzt heißt es: Daumen raus und warten. Der Regen hat nachgelassen, was das Warten deutlich angenehmer macht. Eine schnelle Stunde dauert es, bis ich mitgenommen werde. Ein Mann mit oranger Sportsonnenbrille kommt auf mich zu. Er fragt mich, wo ich hin will. Gute Frage. Darüber habe ich mir noch gar keine Gedanken gemacht. Deshalb antworte ich nur „Irgendwo hin, wo es schön ist. Vielleicht Frankreich?“ „Wir fahren nach Belgien. Wenn du magst, nehme ich dich ein Stück mit.“ Ich steige ein. Außer Steve, dem Fahrer, der mich angesprochen hat, sitzen noch seine Frau und sein 11-jähriger Sohn Tim im Auto. Sie sind grade auf dem Rückweg vom Musicstore in Köln, wo sie DJ-Equipment für Tim gekauft haben und Globetrotter, wo sich Steves Frau mit Schwimmausrüstung eingedeckt hat. Lustiger Zufall, da mein Rucksack von Globetrotter und meine Gitarre aus dem Musicstore ist.
Es bleibt bei einer recht kurzen Mitfahrt, da sich auf dem letzten Stück zu ihrer Heimatstadt keine Raststätten mehr befinden. Als ich aussteige, empfängt mich ein schneidender Wind. Dieser reißt den wolkenverhangenen Himmel auf, so dass mir für einen kurzen Moment die Sonne ins Gesicht scheint. Ich habe das Gefühl, dem wolkenverhangenen Deutschland endlich entkommen zu sein.
Hier stehe ich nicht lange. Jonatan, ein Belgier, der mit seinem orangen Bart mehr wie ein typischer Schotte aussieht, fragt mich auf Englisch, wo es hin gehen soll. Ich antworte ihm, wie auch der Familie zuvor, dass ich es noch nicht genau wisse und mich grob Richtung Frankreich orientieren möchte. „Well, we won’t go there. We live at the North of Belgium.“ „Do you like the place you live?“ „ Yes, it’s awesome. It is next to Gent, which is a very beautiful city. My friend lives in Gent, so I will go there to drop him off.“ Gent? Dort war eine Freundin von mir kürzlich. Sie hat mir begeistert von der Schönheit der Stadt und dem riesigen Festival im Sommer vorgeschwärmt. Also antworte ich: „Great! It would be nice if you could take me to Gent, too.“
Eineinhalb Stunden später sind wir da. Unterwegs erzählt Jonatan, dass er mit seinen beiden Freunden für eine Woche zum Snowboarden in den Alpen war. Er fragt mich über meine Touren aus und ob ich auch vor hätte, durch die USA nach Kanada zu trampen (womit er auf Into the Wild anspielt). „Sure. But at first I will have to become 21.“ Mit leuchtenden Augen erwidert er, dass eine solche Tour immer sein Traum gewesen ist. Da er aber im Juli Vater wird, wird er wohl nicht mehr die Gelegenheit dazu bekommen.
Jonatans Freund aus Gent kennt ein günstiges Hostel, direkt in der Altstadt, aber als wir dort ankommen ist es bereits voll. Wir werden zu einem anderen Hostel geschickt, das noch Betten frei hat, mit 24€ für einen Platz in einem 15-Bett-Zimmer aber nicht ganz billig ist. Na gut. Eine Alternative habe ich nicht. Hier in Gent kommt Zelten nicht in Frage und unter freiem Himmel schlafen ist bei dem Regen, durch den wir seit einer Stunde fahren, auch keine Option.
Es ist noch nicht wirklich spät, grade einmal neun Uhr. Trotzdem falle ich sofort ins Bett und schlafe ein. Trampen ist klasse, aber unglaublich anstrengend.
Schääring is Cäääring :)