Nationalpark Gargano: Umzingelt von Wölfen

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Gefühlt mitten in der Nacht wache ich auf. Lange Zeit zum Wachwerden bleibt mir nicht, denn Alessandro muss zur Arbeit. Am Apple Store lässt er mich raus. Mein Macbook hat Probleme mit der W-Lan-Verbindung. Ich hoffe, dass diese hier gelöst werden können.

In seiner Mittagspause wird er mich wieder einsammeln und auf die Straße bringen, auf der ich weiter Richtung Süden trampe.

Noch stehe ich vor verschlossener Türe. Der Store macht erst in einer Stunde auf. Zeit für ein ausgiebiges Frühstück, bestehend aus einem ganzen 250 Gramm Räucherkäse und einem halben Laib Brot. Das weckt Lebensgeister!  Anschließend schau ich mal hier, mal da um die Straßenecke und unterhalte mich mit Passanten.

Ein älterer Herr scheint sehr interessiert an meiner Tour zu sein. Er stellt viele Fragen und lädt mich sogar spontan auf einen Kaffe zu sich nach Hause ein.

Ich nehme an.


Ich bin gespannt, wie man hier in Ancona so lebt.


Auf den ersten Blick wirkt die kleine Wohnung stink normal. Nichts besonderes. Trotzdem wirkt sie auf mich merkwürdig befremdlich. An der Wand hängen Bilder eines weißen Pferdes. Das Bett ist ein Einzelbett. Die ganze Wohnung wirkt wie eine seltsame Mischung aus Junggesellenbude und Mädchenzimmer.

Ich denke nicht weiter nach, als mir eine große Tasse, duftenden Kaffes gereicht wird.

Während ich den Kaffee trinke grinst mich der Mann unentwegt an. Langsam wird mir etwas mulmig, doch ich bemühe mich, meine Vorurteile bei Seite zu lassen. Auf meiner Reise habe ich viel positives Feedback bekommen. Gerade in Italien scheinen viele sehr beeindruckt von meiner Reise zu sein, doch als aus den Komplimenten für den Mut zu meiner Reise Komplimente zu meinem Aussehen werden und ich schließlich gefragt werde, ob ich Slip oder Boxershorts trage, wird es mir dann doch zu "strange". Ich trinke den Kaffee in einem Zug, bedanke mich für die Gastfreundschaft und haste aus der Wohnung.

Apple Service Italien

Inzwischen hat der Apple Store geöffnet. Im Servicebereich schildere ich mein Problem. Schnell stellt der Herr vom Service fest, dass die Software nicht auf dem neusten Stand ist. Er schließt mein Macbook über das Kabel ans Internet an, lädt das Update runter und schon funktioniert wieder alles einwandfrei.

Templer Italien Umhang Robe Pfarrer

Alessandro ist noch bei der Arbeit. Zeit für mich, die gemütliche Hafenstadt zu erkunden, die wie eine Halbinsel ins Meer ragt. Alessandro hat mit bereits am Abend zuvor vorgeschwärmt, dass Ancona eine der wenigen Städte Italiens ist, in der man Sonnenauf- und Sonnenuntergang über dem Meer bewundern kann.

Vorbei an einer Templerkirche, deren Pfarrer mich an einen Karnevalsumzug oder einen Mittelaltermarkt erinnert, erfrage ich mir meinen Weg zum Park.

Jannis' Life Jannis Riebschläger Italien Ancona Meer

Zwischen saftigem Grün kann man den Blick aufs leuchtende Blau genießen. Ein Ausblick, von dem ich mich lange Zeit nicht losreißen kann. Zum Glück habe ich Zeit.

Digitaler Nomade Macbook Air Laptop Italien

Ich setzte mich an einen alten Holztisch unter duftenden Pinien und schreibe. Schreibe über alle meine Erlebnisse, schreibe diese Zeilen hier. Ein gutes Gefühl.

Hier bleibe ich, bis Alessandro Mittagspause hat, dann geht es zurück an die Straße. Alessandro geht zum Essen in ein kleines Lokal, an der Straße. Er lädt mich ein, doch ich lehne ab. Ich fühle mich noch angenehm gesättigt vom Käse. Bevor wir uns verabschieden, fragt er mich noch, mit gesenkter Stimme, ob bei mir finanzlich alles okay ist. Mein Budget ist zwar knapp, aber nach den letzten Tagen liege ich wieder ganz gut im Plan, also bejahe ich.

Trotzdem bin ich mit einer tiefen Dankbarkeit erfüllt, die sich anfühlt, wie ein warmes Kaminfeuer, nach der Heimkehr aus dem eisigen Sturm. Die Nächstenliebe, die die Leute verbreiten, die ich beim Trampen kennenlerne begeistert mich immer wieder. Gestern waren wir Fremde, doch Alessandro hat mich mitgenommen, mir ein Dach über dem Kopf und eine Couch angeboten, Essen gegeben und herumgefahren. Mehr als so manche „Beste Freunde“ für einander tun würden.

Die Pappe hat sich im Regen in ihre Einzelteile zerlegt. Hauptsache der Edding hält!
Die Pappe hat sich im Regen in ihre Einzelteile zerlegt. Hauptsache der Edding hält!

Wir verabschieden uns. Ich stehe wieder an der Straße.


Es dauert nicht lange und eine freundliche Dame nimmt mich ein Stück mit. Eine allein reisende Frau auf dem Weg zur Arbeit in der Raststätte auf der Autobahn. Lachend fragt sie mich, ob ich eine Pistole dabei habe.

Ich freue mich über den Mut der Dame, mich mitzunehmen, wo doch offensichtlich die meisten Herren zu verängstigt dazu sind.

Sie bietet mir an, mich bis zur Raststätte mitzunehmen, doch ich lehne ab. Ich will hier auf der Straße bleiben, von der Autobahn habe ich die Nase gestrichen voll.

Also bleibt es bei einer sehr kurzen Mitfahrt, gefolgt von zwei weiteren, etwas längeren.

Schließlich nimmt mich Marty mit, was meine Reise maßgeblich beeinflusst.

Auch er fährt nur eine kleine Strecke nach Hause. Auch er will mich zur Autobahn bringen. Ich lehne ab.

Er bietet an, mich zum Bahnhof zu bringen. Auch das lehne ich ab. Er bringt mich trotzdem zum Bahnhof und will mir ein Ticket bis Bari spendieren. Die Straße sei schließlich viel zu gefährlich.

Ich bin wieder einmal geplättet von der Hilfsbereitschaft eines völlig Fremden.

Mal ein Stück mit der Bahn zu fahren, wäre tatsächlich eine nette Abwechslung, aber nur ein Stückchen, ich will schließlich noch etwas erleben, bevor ich in Bari ankomme!
Ich schaue auf die Karte. Mir fällt eine grüne Landzunge auf. „Nationalpark Gargano“.

Klingt spannend. Ich fahre bis Gargano.

Trenitalia Fenster Ausblick Adria Meer

Die Fahrt verläuft recht ereignislos. Der Blick aus dem Fenster ist jedoch traumhaft. Direkt am Meer entlang führen die Gleise. Auf der anderen Seite erstreckt sich trockene Buschlandschaft, so weit das Auge reicht.

Trenitalia Bahnhof Italien Zug

In Gargano angekommen stelle ich zwei Dinge fest:

  1. Es wird langsam spät.
  2. Der Park ist größer als gedacht.

Ich bin noch mehr als 10 Kilometer von ihm entfernt. Zu Fuß schaffe ich das heute nicht mehr. Zelten kann ich hier aber auch nirgends. Die Gegend wirkt heruntergekommen. Graffitis bedecken die Wände, zersplitterte Bierflaschen den Boden. Nein, hier möchte ich wirklich keine Nacht draußen verbringen.

Ich laufe los in Richtung des Nationalparks. Irgendetwas würde mir unterwegs schon einfallen.

Ich finde ein kleines Einkaufszentrum. Ich überlege, mich einfach auf der Toilette einzuschließen und hier zu übernachten.

Der Sicherheitsangestellte und die Klofrau, die mich beide misstrauisch beäugen, lassen mich diesen Plan aber gleich wieder vergessen.

Zurück geht’s an die Straße und Daumen raus. Ich muss jemanden finden, der mich bis zum Waldrand mitnimmt. Versteckt zwischen den Bäumen zu zelten, sollte kein Problem sein.

Sonnenuntergang Familie Italien Nationalpark Gargano

Doch ich warte und warte. Die Sonne geht unter. Ich muss wohl die Nacht durch laufen.

Oder doch nicht?

Ein Auto hält. Darin eine junge Familie. Sie sind tatsächlich unterwegs, zum Rand des Parks und wollen mich mitnehmen. Ich bin glückselig!

Erst recht, als ich begreife, was Ziel der Reise ist. Francesco (scheint in Italien ein Sammelbegriff zu sein), der Familienvater hat einen heftigen Südakzent, deshalb verstehe ich nur, dass sie unterwegs sind um seinen Bruder zu besuchen.

Bei der Ankunft stelle ich fest, dass wir keineswegs unterwegs zu einem Privathaus sind.

Francescos Bruder ist Restaurantbetreiber und ich bin eingeladen!

Es gibt jede Menge Leckeres vom Grill und in Öl eingelegtes Gemüse. Alles schmeckt köstlich!

Während des Essens wird mir die ganze Zeit erzählt, wie gefährlich die Gegend sei, wegen all der Bären und Wölfe.

Ich glaube, wir Menschen sind eine größere Gefahr für die scheuen Tiere, als Sie für uns, aber sei es drum.

Mir wird eine kleine Holzhütte angeboten, um mein Lager darin aufzuschlagen, denn in dieser gefährlichen Wildnis wäre mein Überlebenschance ja gleich Null.

Ich nehme an, auch wenn ich langsam das Gefühl habe, dass die Italiener südlich der Alpen ein sehr gestörtes Verhältnis zur Natur haben.

Bevor ich einschlafe lasse ich die Erlebnisse des Tages Revue passieren. War das wirklich heute? Bin ich wirklich heute in Ancona gestartet?

Ich erlebe diese Zeit so intensiv. Ich erlebe so viel. Wenn ich nach Deutschland zurückkehre, werde ich ein anderer Mensch sein. Von jeder Reise kehre ich verändert zurück.

Und das ist auch verdammt gut so!


Von Reisen kehrt man verändert zurück. Hast du die selbe Erfahrung gemacht? Oder vielleicht eine gegenteilige Meinung?

Ich freue mich über Feedback zu diesem Artikel.

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