Als ich aufwache, herrscht um mich bereits reges Treiben. Luca und die Mutter des Freundes kochen Kaffee und essen Kekse. Auch mir wird eine Tasse duftender, italienischer Kaffee in die Hand gedrückt. Was für ein Start in den Tag!
Luca erklärt mir, dass sein Freund Francesco heute zurück nach Adria fährt. Er hat gestern mit ihm über meine Reisepläne gesprochen und Francesco hat angeboten, mich mitzunehmen. Adria liegt an der Landstraße, die auf direktem Wege nach Rimini führt, also nehme ich dankbar an.
Nachdem Francesco aufgewacht ist und ebenfalls eine Tasse Kaffee getrunken hat, geht es los.
Vorbei an Riva del Garda und dem Hotel, in dem ich bei meiner Stufenfahrt an den Gardasee keine vier Wochen zuvor war, geht es direkt ans Adriatische Meer. Auf meiner Reise habe ich das Meer bisher noch nicht gesehen. Francesco bietet an, dass ich einen Tag bei ihnen bleiben kann und er mich mit ans Meer nimmt und die Gegend zeigt. Ich nehme an.
Am Strand erwarten Francescos Freunde uns bereits. Mit ihnen spielen wir Volleyball, gehen schwimmen, und trinken ein Bier in einer gemütlichen kleinen Strandbar.
Das Meer ist großartig! Der Strand ist für meinen Geschmack zwar zu überfüllt und das Wasser entsprechend trüb und aufgewühlt, aber es hat die perfekte Temperatur. Es ist eine angenehme Erfrischung bei der brennenden Sonne, aber nicht so kalt, dass man sich erst vorsichtig abkühlen müsste, um keinen Schock zu bekommen.
Mit Francesco rede ich über Bari, wo ich Anfang des Jahres eine Woche im Rahmen eines Schüleraustausches verbracht habe. Bari ist die Heimatstadt seines Vaters. Er sagt, er liebt das Essen dort. Ich muss ihm zustimmen, das Essen war großartig! Ich erzähle ihm davon, wie verrückt die Baresen nach Muscheln waren. Francesco muss lachen, er weiß genau was ich meine. Während wir im Wasser stehen und uns über Muscheln unterhalten, glaube ich, mit meinem Zeh eine gigantische ertastet zu haben. Mit dem Fuß grabe ich sie aus, um sie hoch zu tauchen. Die vermeintliche Muschel zwickt, als sie sich mit einer kräftigen Schere an meinen Zeh klammert. Überrascht und erschrocken mache ich einen Satz Richtung Ufer. Francesco macht zunächst große Augen, dann lacht er laut los. Ich realisiere, was mich da gezwickt hat, der Schreck lässt nach.
Wir lassen uns einfach von den Wellen treiben, direkt vor die Füße des Schwimmmeisters. Er ist ebenfalls ein Freund von Francesco und sichtlich belustigt von all den Touristen. Ich kann ihn voll und ganz verstehen. Mit den Socken in den Sandalen und käseblasser oder krebsroter Haut, sehen sie aus wie Fremdkörper. Wie hilflose gestrandete Wale, die nicht so recht wissen, wo sie sind und warum sie hier sind.
Fast vergesse ich, dass ich selbst ein Tourist bin, so herzlich, wie die Italiener mich einbinden.
Nach dem Strandbesuch will Francesco mich seinem Vater vorstellen. Er wird in einer Woche seine neue Freundin heiraten, weshalb in seiner Wohnung „Aperetivo“, ein gemütliches Zusammensitzen mit Snacks und Getränken stattfindet.
Für mich einer der Höhepunkte des Tages, denn die Herzlichkeit, die hier ausgetauscht wir, ist was ich am Reisen im Süden am meisten liebe. Wir unterhalten uns in einem Mix aus Englisch,
Italienisch und Deutsch.
Als ich von meiner Alpenüberquerung berichte, fragt Francescos Vater mehrfach nach. Diese Art des Reisens ist den gemütlichen Italienern fremd. Mit einer Mischung aus Respekt und Befremdung
betrachten sie mich.
Es wird langsam Abend, Zeit zu Francesco nach Hause zu fahren. Hier lerne ich seinen großen, kleinen Bruder kennen. Er ist ebenfalls eine durch und durch humorvolle und sympathische Person. Er wäre am Nachmittag gerne mit zum Strand gekommen, aber er hat eine Meniskusverletzung, weshalb er nicht sonderlich mobil ist.
Lange Gelegenheit, ihn kennenzulernen habe ich nicht. Dafür mache ich Bekanntschaft mit einer Freundin Francescos, die ich vom ersten Moment an ins Herz geschlossen habe: mit seiner Gitarre. Es
ist zwar schon spät, weshalb ich nur sehr sanft und leise spielen kann, aber ich spiele! Das erste Mal seit Wochen halte ich eine Gitarre in der Hand. Ein großartiges Gefühl!
Ich bin fest entschlossen, mir für mein nächstes, längeres Abenteuer eine Reisegitarre zuzulegen.
Ich sitze auf dem Bett und spiele, döse dabei weg. Meine Hände bewegen sich wie von selbst über Saiten und Griffbrett. Ich lausche der vertrauten Melodie, die von weit her zu mir rüber zu tönen scheint. Und schlafe noch beim Spielen ein.
Ich freue mich über Feedback zu diesem Artikel.
Der Artikel hat dir gefallen? Dann teile ihn mit deinen Freunden!