Meran: Abschied und neuer Aufbruch

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Sonnenstrahlen kitzeln auf meinem Gesicht. Ich wache auf. Helles Licht fällt durch das kleine Fenster vor mir und erleuchtet die Steinhütte. Im Licht der Morgensonne sieht sie richtig schön aus, gemütlich, rustikal.

Proviant Schinken Italien

Nachdem wir eingepackt haben, setzen wir uns erneut auf die Holzbank vor der Hütte. Wir frühstücken. In der Morgensonne sitzen, mit dem Blick ins Tal und dem Mund voller süßem Obst, ist ein großartiges Gefühl.

Alpen Italien Südtirol E5 Wandern Berge Apfelplantage

Es fällt uns schwer, uns loszureißen, doch es liegt noch einiges vor uns. Die Landschaft ist traumhaft. Durch üppige Apfelplantagen und über  sonnenbeschienene Weinhänge geht es immer näher auf Meran zu. Noch laufen wir zwar am Berghang, doch um uns herum wird die Landschaft bereits flacher. Die Berge um uns sind bis zum Gipfel bewaldet und übersät mit Bauernhöfen und Plantagen.

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Zeit für eine Kekspause. Wir suchen den Schatten eines Baumes. Aus dem Augenwinkel bemerke ich etwas. Etwas bewegt sich. Da, ein Gesicht! Der Baum starrt mich an! Nein, etwas starrt mich aus dem Baum heraus an!

Der Baum hat fünf, kreisrunde Löcher. Aus einem davon guckt mich mit schwarzen Knopfaugen ein Siebenschläfer an. Schnell verschwindet er im Inneren des Baumes, als ich mich nähere.

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Nach dieser ungewöhnlichen Begegnung wollen wir weiter gehen, aber weit kommen wir nicht. Der Weg ist wegen Steinschlag gesperrt. Stattdessen gehen wir eine Asphaltstraße ins Tal hinab. Als wir unten ankommen, liegt eine, flach durchs Tal verlaufende, Straße vor uns. Ist das überhaupt noch ein Tal? Es ist weit und nach vorne hin nicht durch Berge begrenzt. Nein, das ist kein Tal mehr. Die Alpen liegen hinter uns! Wir sind perplex, können es noch gar nicht glauben.

Wir haben es tatsächlich über die Alpen geschafft!

Bahnhof Meran Alpen Italien Südtirol E5 Wandern Berge

Trotzdem müssen wir irgendwie nach Meran kommen, von wo aus Wibke zurück fährt. Schon wieder geht es an der Asphaltstraße entlang. Das ersparen wir uns. Daumen raus, fünf Minuten warten und schon sind wir auf dem Weg nach Meran. Der freundliche Fahrer bringt uns sogar direkt bis zum Bahnhof.

Das Ende kam jetzt so plötzlich, dass wir es noch gar nicht richtig realisiert haben. Heute Morgen sind wir noch in einer verlassenen Steinhütte in den Bergen aufgewacht, jetzt sitzen wir am Bahnhof in der Stadt.

Wibke hat ein paar Probleme beim Buchen ihres Tickets. Mithilfe des langsamen W-LANs der Bahn gelingt es ihr schließlich, ihr Anschluss-Busticket ab München zu buchen. Jetzt heißt es warten auf die Bestätigung.

Ein leises „Pling“ reißt uns aus unseren Tagträumen. Alles hat geklappt, die Buchung war erfolgreich.

Italien Pizza Alpen Italien Südtirol E5 Wandern Berge

Noch eine Stunde haben wir, ehe Wibkes Bahn kommt. Zeit, einer typisch italienischen Tätigkeit nachzugehen: Pizza essen!
Es dauert nicht lange und wir finden eine kleine Pizzeria. Während wir auf die Pizzen warten, unterhalten wir uns mit der Betreiberin. Sie ist fassungslos, als wir ihr von unseren Abenteuern erzählen. Die Getränke bekommen wir gratis.

Wibkes erste Pizza in Italien. Sie ist begeistert! Das italienische Grundnahrungsmittel passt einfach hierher. In die sonnenbeschienene Straße, zwischen die pastellfarbenen Häuser.

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Am liebsten würden wir hier noch Stunden sitzen und einfach nur die Atmosphäre genießen, aber die Zeit drängt. Wir rennen zur Bahn. Mist, Abfahrt ist in einer Minute! Die Bahn steht bereits am Gleis, Wibke springt rein. Zur Sicherheit fragt sie noch einmal nach, ob es die richtige Bahn ist.

Sie ist es nicht. Sie springt wieder aus der Bahn und wir rennen zur anderen Seite des Bahnhofs.

Geschafft! Gerade noch rechtzeitig kommen wir an. Wir verabschieden uns schnell und dann geht es auch schon los.

Die Bahn verlässt den Bahnhof und wird immer kleiner und kleiner, bis sie nicht mehr zu sehen ist.

Wibkes Abenteuer endet hier, für mich beginnt gleich das Nächste.

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Es ist ein komisches Gefühl auf einmal alleine weiter zu reisen. Vorher haben wir den Großteil des Tages mit Reden verbracht, auf einmal ist es still um mich herum. Wir haben immer zusammen gehalten, obwohl wir Extremsituationen erlebt und über zwei Wochen auf engstem Raum zusammen verbracht haben. Wir waren müde, hungrig, durchnässt und durchfroren und haben uns trotzdem nie die Köpfe eingeschlagen. Jemanden für so ein Abenteuer findet man wirklich nicht an jeder Ecke.

Ich packe die Kopfhörer aus.

Meine Lieblingslieder hörend laufe ich grinsend durch Meran. In den letzten zwei Wochen habe ich kaum daran gedacht, dass unsere Wanderung auch mal ein Ende haben würde. Es wird wohl noch einige Zeit dauern, bis ich mich wieder ganz an die Zivilisation gewöhnt habe, aber nun freue ich mich auf das was vor mir liegt. Auch das Trampen ist ein Abenteuer, wenn auch auf eine andere Weise als die Naturgewalten der Alpen.

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Ich möchte die Altstadt von Meran erkunden, doch viel Zeit bleibt mir dazu nicht. Ich gehe in ein Treckinggeschäft, um neue Zeltheringe zu kaufen. Als ich es wieder verlasse, stehe ich in einer Geisterstadt. Pünktlich um 7 schließen alle Läden, die Straßen sind wie leergefegt.

Irgendwo müssen all die Menschen doch hin sein. Ich mache mich auf die Suche.

War hier das Leben um 7 schlagartig vorbei, beginnt es in der parallel verlaufenden Uferpromenade gerade erst. Bars und Cafés sind bestens vorbereitet und ziehen die Besucherströme an.

Es wird langsam Abend, Zeit für mich, weiter zu ziehen.

Ich habe nach wie vor keine Ahnung, wo ich schlafen werde.

Eigentlich wollte ich nach der Alpenüberquerung bei einem Couchsurfer in Bozen übernachten, doch leider habe ich mich mit dem Ankunftsdatum etwas verschätzt und nun muss er leider für die Arbeit nach Venedig.

Egal, es sieht so aus, als würde es heute nicht mehr regnen, ich werde einfach so weit trampen, wie möglich und dann irgendwo am Straßenrand übernachten.

Auf geht’s nach Rimini!

Zuvor muss ich aber noch zwei Dinge finden: Einen Supermarkt, um etwas zu essen zu kaufen und eine große Straße, die aus der Stadt führt.

Ich finde beides, auch wenn ich beim Supermarkt mehrfach nachfrage, bevor ich überzeugt bin, alles richtig verstanden zu haben.

Ich habe die Hauptstraße bereits gefunden, ohne es zu wissen. Sie ist winzig. Ganz Meran ist winzig.

Ich habe oft von Meran gehört, daher habe ich eine große Stadt erwartet, doch das hier ist alles andere als groß.

Schön ist Meran trotzdem.

Und hilfsbereit. Aus München heraus zu kommen hat Stunden gedauert, hier habe ich nach ein paar Minuten Erfolg.

Carin nimmt mich mit. Sie ist auf dem Weg nach Bozen, wo sie sich mit einer Freundin trifft.

Carin ist Filmemacherin. Sie arbeitet hauptsächlich hinter der Kamera, schreibt Drehbücher und entwickelt Ideen für neue Sendungen, aber auch vor der Kamera war sie schon aktiv. Unter anderem für Dokus über Fernwanderwege. Auf dem E5 war sie auch schon unterwegs.

Sie sagt, ihre Arbeit ist ein Job aus Leidenschaft. Es ist ein hartes Business mit schlechter Bezahlung, aber für sie als Backpackerin, die Abwechslung liebt, genau das Richtige.

Weit fahre ich mit ihr nicht. Bozen ist von Meran aus gleich um die Ecke und ich möchte nicht wieder aus der Stadt rauskommen müssen, also bitte ich sie, mich an einer kleinen Tankstelle rauszulassen.


Uff, das wird schwierig.


Nur alle 10 Minuten hält hier ein Auto zum Tanken und es werden weniger und weniger. Mit meinem Schild mit der Aufschrift „Süden“, auf Italienisch „Sud“, stehe ich hier gut eine Stunde. Ein Mann fragt mich, wie weit in den Süden es denn gehen soll. „Rimini“, ist meine Antwort. Er lacht. Er könnte mich bis Bozen mitnehmen, wohin er grade unterwegs ist. Der Mann verschwindet im Tankstellenkiosk.

Immerhin gibt es hier also Leute, die hilfsbereit sind.

Doch es werden weniger und weniger Autos, die überhaupt halten. Der Mann kommt zurück. „Steig ein, ich bring dich zur Autobahnauffahrt“.

Die Tankstelle schließt.", erklärt er mir. Hier würde ich heute nicht mehr wegkommen.

Dankbar steige ich ein.

Meine neue Position ist leider auch nicht viel besser. Auf der italienischen Autobahn ist das Trampen verboten und das wissen die Italiener auch. Nicht nur mir, sondern auch ihnen drohen saftige Geldstrafen, wenn sie mich mitnehmen. Stunden vergehen. Es wird dunkel. Ich esse den Proviant, den ich bei dem kleinen Supermarkt gekauft habe.

Ich schaue mich schon mal nach einem guten Platz um, um mein Lager aufzuschlagen.

Gardasee Riva del Garda Alpen Italien Südtirol E5 Wandern Berge
Am nächsten Morgen in Lucas Garten

Ich habe schon fast aufgegeben, da hält tatsächlich ein Auto an. Luca heißt der Fahrer. Er ist auf dem Rückweg aus der Therme in Meran, in die nähe von Riva del Garda, was so viel hießt wie „Ufer der Gardasees“. Er weiß ebenfalls um das Trampverbot, doch er erzählt mir, dass er praktisch seine komplette Jugend durch, in der er ohne viel Geld oder ein Auto in Großbritannien gelebt hat, getrampt ist. Nun will er etwas zurückgeben. Luca liebt das Reisen fast so wie ich. Er schwärmt von seinem letzten Trip, durch Australien und wir tauschen uns über die schönsten Orte Italiens aus.

Er fragt mich, ob er mich wieder an einer Raststätte rauslassen, oder mit in seinen Ort nehmen soll. Ich wäge ab. Es ist spät, langsam werde ich müde. Es es hat einige Stunden gedauert eine Mitfahrgelegenheit zu finden, also würde ich vermutlich heute nicht mehr weiterkommen. Am Gardasee übernachten klingt verlockender, als am Straßenrand.

Außerdem war ich erst vier Wochen zu vor in der Nähe von Riva del Garda auf Stufenfahrt und es hat mir sehr gut gefallen. Es wäre witzig, nur vier Wochen später wieder am selben Ort zu sein.

Also fahre ich mit. Ich frage Luca, ob er einen guten Platz kennt, um mein Zelt aufzustellen. Es darf nicht zu öffentlich sein, denn Wildcampen ist in Italien ebenfalls verboten und wird gerade in den Gegenden, die vom Tourismus leben, streng geahndet.

Luca lädt mich kurzerhand zu sich nach Hause ein. Begeistert folge ich der Einladung. Ich breite meine Matratze in seinem Wohnzimmer aus, während er noch mit einem Freund, der zu Besuch bei ihm ist, einen trinken geht.

Die Mutter des Freundes ist ebenfalls zu Besuch. Sie bleibt und wärmt mir sensationelle Pasta auf, die sie am Mittag für Luca gekocht hat.

Nach dem Essen lege ich mich schlafen. Morgen geht es weiter Richtung Rimini.


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